Fragen und Antworten

FAQ

Fragen zum Ablauf

Was ist ein Volksentscheid?

Durch Volksentscheide können die Menschen in Berlin direkt Gesetze beschließen. Wir haben das Berliner Klimaschutz- und Energiewendegesetz umgeschrieben. Damit diese Änderungen rechtlich bindend werden, muss der Volksentscheid drei Phasen durchlaufen. Die ersten zwei Phasen wurden bereits erfolgreich abgeschlossen. Momentan befinden wir uns in der dritten Phase: Der Abstimmung über den Volksentscheid an der Wahlurne.

Der Volksentscheid ist erfolgreich, wenn eine Mehrheit mit JA abstimmt und diese Mehrheit gleichzeitig mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten ausmacht. Dann muss das Land Berlin unseren Gesetzentwurf umsetzen. Anders als z. B. bei „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ ist keine Verschleppung möglich, da ein konkreter Gesetzentwurf zur Abstimmung steht.

Wer kann für den Volksentscheid abstimmen?

Alle Menschen, die in Berlin gemeldet sind, mindestens 18 Jahre alt sind und die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Das trifft auf dich nicht zu? An der Gesetzeslage können wir leider nichts ändern. Du kannst dich aber trotzdem bei uns engagieren! Alle Informationen dazu findest du auf der Mitmachen-Seite.

Wann fand der Volksentscheid statt?

Der Volksentscheid fand am Sonntag, den 26. März 2023 statt.

Was war das Ergebnis?

51 Prozent der Berliner*innen haben für unseren Gesetzentwurf gestimmt! Mit 442.048 Ja-Stimmen haben wir wir aber das Zustimmungsquorum verfehlt (25 Prozent der Wahlberechtigten hätten zustimmen müssen – knapp 608.000 Menschen).

Ich habe doch schon 2022 für euch unterschrieben. Warum musste ich jetzt noch mal wählen?

Du hast für das Volksbegehren unterschrieben, das bedeutet, dafür, dass der Volksentscheid zu Stande kommt. Das Volksbegehren war die zweite Phase des Prozesses zur Durchsetzung der Gesetzesänderung. Die dritte und letzte Phase war der Volksentscheid am 26. März 2023.

Wie sieht der Stimmzettel aus?

Auf dem Stimmzettel ist das Anliegen des Volksentscheids noch einmal in Stichpunkten zusammengefasst. Im Anschluss steht die Abstimmungsfrage: „Stimmen Sie den Änderungen des Berliner Klimaschutz- und Energiewendegesetzes zu?“. Darunter gibt es zwei Felder für Kreuze: „Ja“ und „Nein“. Auf den Seiten des Landeswahlleiters wird ein Musterstimmzettel zum Download angeboten.

Gibt es eine Briefwahl?

Ja, es gibt wie bei anderen Wahlen auch die Möglichkeit, per Brief abzustimmen. Die Briefwahlunterlagen konnten zwischen 13. Februar und 21. März beantragt werden.

Auf der Website des Landeswahlleiters findest du weitere Informationen zur Briefabstimmung.

Fragen zu uns

Wer seid ihr?

Der Volksentscheid wird von einem sehr großen Bündnis von Organisationen getragen (siehe die Logos ganz am Ende dieser Seite). Gestartet hat ihn Klimaneustart Berlin, eine gemeinnützige Initiative, die schon in der Vergangenheit mit zwei Volksinitiativen zu klimapolitischen Fragen erfolgreich war. Mehr über uns.

Gehört ihr zu einer Partei?

Nein, wir sind zu 100% unabhängig von politischen Parteien.

Wie kann ich mich für Berlin 2030 Klimaneutral engagieren?

Bei deinem aktivistischen Engagement bist du zeitlich komplett flexibel. Es ist schon großartig, wenn du hin und wieder ein paar Stunden Zeit zum Plakate hängen oder Flyer verteilen hast. Am besten schließt du dich direkt einem Kiezteam an oder kommst zu einem Onboarding-Termin. Beim Onboarding stellen wir den Volksentscheid kurz vor, erklären, wie wir arbeiten und wie und wo du dich einbringen kannst. Schreib uns vorher eine Email an: onboarding@klimaneustart.berlin.

Kann ich euch finanziell unterstützen? Wofür werden die Spenden verwendet?

Ja, hier findest du unser Spendenformular. Wir arbeiten weitgehend ehrenamtlich, haben aber für den immensen Organisationsaufwand sechs Halbtagsstellen geschaffen. Dazu kommen Kosten für Server, Software, Druck von Plakaten, Flyern und anderen Druckmaterialien sowie Raummieten und Honorare für Einzelleistungen (Fotografie, Grafik, Referent*innen für Workshops).

Neben finanzieller Unterstützung freuen wir uns aber auch, wenn ihr unseren Newsletter abonniert und uns auf unseren Social-Media folgt und teilt.

Was sind Vertrauenspersonen?

Eine Volksinitiative bestimmt fünf Vertrauenspersonen als Vertreter*innen. Die Vertrauenspersonen haben das Recht, in den zuständigen Ausschüssen des Abgeordnetenhauses gehört zu werden. Unsere fünf Vertrauenspersonen sind:

Prof. Dr. Volker Quaschning
Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin

Génica Schäfgen
Deutschlandchefin der Suchmaschine Ecosia

Dr. Cornelia Auer
Wissenschaftlerin am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung

Klara Kramer
Fridays for Future Berlin

Stefan Zimmer
Klimaneustart Berlin

Fragen zum Gesetz

Welche Maßnahmen beinhaltet Berlin 2030 Klimaneutral?

Der Volksentscheid beinhaltet bewusst keine Maßnahmen, sondern verändert nur die Ziele. Dies lässt Spielraum für die bestmögliche Umsetzung im Dialog zwischen Politik und Bürger*innen. Ein erster Ansatzpunkt sollten die Empfehlungen des von Klimaneustart Berlin eingeleiteten Klima-Bürger*innenrates sein. Dort haben 100 zufällig ausgeloste Menschen aus Berlin zwischen April und Juli 2022 mit wissenschaftlicher Expertise Maßnahmen diskutiert und ausgehandelt. Auch mehrere Machbarkeitsstudien zeigen konkrete Wege in die Klimaneutralität auf. Alle Links zu den Studien findest du auf der Seite „Warum Ja?„. Viele Detailfragen sind hier weiter unten bei den Fragen zur Umsetzung beantwortet.

Was steht genau im Gesetz?

Zur Abstimmung steht eine Änderung des Berliner Klimaschutz- und Energiewendegesetzes. Dort sind bereits jetzt Klima-Ziele formuliert. Diese werden durch den Volksentscheid verschärft. Insbesondere wird das Zieljahr für die Klimaneutralität von 2045 auf 2030 vorgezogen. Außerdem sind einige Änderungen enthalten, die das Gesetz verbindlicher, konsequenter und sozialer machen. Mehr dazu findest du auf der Seite Alles zum Volksentscheid. Du kannst die Änderungen auch im vollständigen Gesetzestext nachlesen.

Was bedeutet klimaneutral?

Klimaneutral heißt, dass aus Industrie, Verkehr, Landwirtschaft oder Wohnraum usw. nicht mehr Treibhausgase wie CO₂ oder Methan in die Luft entweichen, als wieder aus der Luft gebunden werden können.

Im Berliner Klimaschutz- und Energiewendegesetz ist die Klimaneutralität als Reduktion der Treibhausgasemissionen um 95 % gegenüber dem Ausstoß im Vergleichsjahr 1990 definiert. Aktuell sieht das Gesetz als Zieljahr für das Erreichen dieses Ziels das Jahr 2045 vor. Wenn der Volksentscheid erfolgreich ist, ändert sich das Zieljahr auf 2030.

Wo finde ich die offizielle Begründung für die Gesetzesänderung?

Formaler Teil der Beschlussfassung ist neben dem Gesetzestext auch die detaillierte Begründung, die wir bei der Beantragung des Volksbegehrens mit eingereicht haben. Sie geht näher auf die Hintergründe unserer Gesetzesinitiative im Zusammenhang mit der Klimakrise ein.

Fragen zur Umsetzung

Wollt ihr Autos verbieten?

Nein. Wir wollen niemandem das Auto wegnehmen, sondern die Voraussetzungen dafür schaffen, dass für weniger Fahrten ein Auto benötigt wird – denn zur Umsetzung des Gesetzes müssen auch im Verkehrssektor die Treibhausgas-Emissionen massiv gesenkt werden. Eine Reduzierung des Autoverkehrs auf unbedingt notwendige Fahrten erscheint damit sinnvoll, zumal die Straßen der Hauptstadt schon jetzt überlastet sind. Dazu brauchen wir einen Mix aus Pull-Maßnahmen (Alternativen attraktiver machen, z. B. ÖPNV), aber auch Push-Maßnahmen (z. B. Individualverkehr mit Verbrenner unattraktiver machen, Reduktion von Parkplätzen).

Im Detail können sinnvolle Maßnahmen sein: Ein stadtweiter Ausbau des ÖPNV, eine verbrennerfreie Innenstadt als Anreiz zum schnellen Umstieg auf E-Autos, Verkehrsberuhigung, Ausbau der Fahrrad-Infrastruktur. Städte wie Kopenhagen, Rotterdam und Utrecht machen es vor: Wir können so ganz nebenbei auch extrem viel Lebensqualität gewinnen!

Wichtig: Nichts ist ineffizienter als Verbrenner-Autos im Stadtverkehr, wo der Wirkungsgrad auf weit unter 10% fällt. Das bedeutet, dass 90 % der fossilen Energie einfach durch Abwärme verloren geht. So eine Verschwendung können wir uns in dieser Krise nicht mehr leisten.

Kann Berlin überhaupt genügend erneuerbare Energie produzieren? Oder machen wir uns abhängig von Brandenburg?

Als Stadtstaat war Berlin immer schon in vielerlei Hinsicht abhängig von anderen Bundesländern und natürlich auch von anderen Ländern und Regionen der Welt. Dies gilt zum Beispiel für die Wasserversorgung, die Produktion von Lebensmitteln, den Pendelverkehr – und eben auch für die Energieerzeugung. Die Erzeugung der gesamten von Berlin benötigten Energie ist auf dem Landesgebiet tatsächlich nicht denkbar. Naheliegenderweise erscheint eine Energiepartnerschaft mit Brandenburg sinnvoll, aber auch andere Bundesländer oder auch Polen kommen hierbei in Frage. Die Energy Watch Group hat eine Studie verfasst, wie Berlin im Verbund mit Brandenburg bis 2030 klimaneutral werden kann.

Es gibt auch durchaus noch Puffer in Brandenburg, um mehr erneuerbaren Strom zu erzeugen: Solaranlagen erzeugen auf der gleichen Fläche ein Vielfaches an Strom gegenüber dem heute schon in Brandenburg praktizierten Anbau von Biomasse für die Verfeuerung in Biogasanlagen. Und dass Berlin eigenes Land erwirbt, um dort einen Teil seiner Energieversorgung zu gewährleisten, wäre auch kein völlig neuer Weg: Berlin besitzt schon jetzt ausgedehnte Wälder und Güter in Brandenburg (mehr als 160 km²). All dies muss jedoch unbedingt so geschehen, dass die Menschen in Brandenburg auch von dieser Transformation profitieren – eine Energiepartnerschaft eben. 

Wird für mich dadurch alles teurer?

Für uns ist klar: Sozial- und Klimapolitik müssen Hand in Hand gehen. Deshalb sieht der Volksentscheid einen Ausgleich von Mietsteigerungen aus dem Senatshaushalt vor.

Allgemein gilt: Die genauen finanziellen Auswirkungen von Klimaschutzmaßnahmen auf die Kosten des täglichen Bedarfs sind sehr unterschiedlich. Aber alles lässt sich gesetzlich so gestalten, dass die Kosten sozial gerecht verteilt werden. Dies liegt in der Verantwortung der Politik und gilt insbesondere dann, wenn Maßnahmen zu einer Verteuerung von Grundbedürfnissen führen. Es gibt sogar Modelle wie eine Kombination aus CO₂-Steuer und Auszahlungen an Bürger*innen, die Menschen mit geringem Einkommen entlasten – alles eine Frage der Umsetzung und des politischen Willens!

Steigen dadurch die Mieten? ?️ ?

Um klimaneutral zu werden, müssen wir den Gebäudebestand möglichst schnell sanieren. Das Klimaschutz- und Energiewendegesetz (EwG), das mit dem Volksentscheid geändert werden soll, betrifft nur öffentliche und nicht etwa private Gebäude. Auch landeseigene Wohnungsbaugesellschaften sind seit der Novelle des Gesetzes von 2022 ausgenommen. Daher ist eine Mietsteigerung als direkte Folge des EwG nicht zu befürchten. Dennoch haben wir in unserer Änderung einen Passus eingebaut, der für sich ggf. doch ergebende Ausnahmefälle einen Ausgleich der Miete durch den Landeshaushalt garantiert.

Klimaschutz und soziale Wohnraumversorgung dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Daher haben wir mit Akteuren aus der Mietenbewegung und aus sozialen Bewegungen gemeinsam Position bezogen. Es ist unabdingbar, dass die nötigen Maßnahmen für Klimaneutralität ab 2030 sozial gerecht gestaltet werden. Hierzu gehört für uns als Priorität die Bewahrung von Bruttowarmmieten-Neutralität.

Übrigens: Der Haupttreiber für explodierende Mieten in den letzten Jahren ist nicht die energetische Sanierung im Sinne des Klimaschutzes, sondern Spekulation. Hier muss die Politik endlich einen Riegel vorschieben. Es ist höchste Zeit, dass der Bund eine Öffnungsklausel im Mietrecht für Länder und Kommunen einführt, damit der Berliner Senat Mieten effektiv deckeln kann.

Können wir uns das überhaupt leisten?

Kurze Antwort: Ja! Die Investitionskosten für den Umbau Berlin zu einer klimaneutralen Stadt sind natürlich hoch. Bei Investitionen in erneuerbare Energien gilt aber: Am Anfang ist die Umstellung teuer, doch anschließend wird die Energie-Erzeugung sehr günstig, da keine Rohstoffe zur Verbrennung erforderlich sind. Dies ist bei Kohle, Öl und Gas anders, die laufend sehr hohe Kosten verursachen und wo das Geld oft bei Diktaturen und Großkonzernen landet. Langfristig profitieren wir also finanziell.

Und wenn wir jetzt nicht massiv investieren, wird es noch teurer. Wir stehen derzeit bei 1.1°C Erwärmung im globalen Mittel – das Umweltministerium hat allein Schäden in Höhe von 80 Milliarden Euro in Deutschland ermittelt, die die Hochwasserkatastrophe und Extremwetter-Ereignisse der letzten Jahre verursacht haben. Wie hoch werden die Schäden sein, wenn wir wie aktuell auf 2.7°C Erwärmung zusteuern? Das Hochwasser im Ahrtal allein verursachte 40 Milliarden Euro Schäden. Laut Fraunhofer-Institut kostet eine Umstellung auf eine klimaneutrale Fernwärme in Berlin 4 Milliarden Euro. Für die Kosten eines einzigen solchen Extremereignisses können wir also Berlins Fernwärme gleich zehn Mal klimaneutral machen.

Nicht nur die Folgekosten der Klimakrise steigen. Auch die Investitionskosten für die Energie- und Wärmewende werden voraussichtlich höher ausfallen, sobald aufgrund enormer weltweiter Nachfrage hier Engpässe an Bedeutung gewinnen.

Haben wir genügend Fachkräfte für die Umsetzung?

Klar, den gesamten Berliner Altbaubestand zu sanieren ist ein Mammutprojekt. Aber wir müssen mit der Umstellung auf eine klimaneutrale Wärmeversorgung ja nicht warten, bis diese Sanierung abgeschlossen ist. Verbindliche staatliche Finanzierungszusagen durch einen gesetzlichen Rahmen, wie ihn der Volksentscheid schaffen würde, ermöglichen es, mittelfristig die Verfügbarkeit an Fachkräften deutlich zu erhöhen. Ein ehrgeiziges Klimaziel würde viel unternehmerisches Potenzial für Transformations-Dienstleistungen in unsere Stadt locken – ein Standortvorteil für Berlin! Andererseits stehen gerade jetzt geburtenstarke Jahrgänge vor dem Renteneintritt – je länger wir warten, desto weniger handwerkliche Fachkräfte haben wir! Dazu kommt, dass nur ein sehr kleiner Teil der notwendigen Maßnahmen tatsächlich von hochspezialisierten Fachkräften ausgeführt werden muss (Beispiel: Montage Solaranlage).

Wie sollen wir denn bis 2030 alle Altbauten sanieren?

Die Sanierung der Altbauten ist eine besondere Herausforderung und Kraftanstrengung, die nur mit kreativen Anreizmodellen, einer Fachkräfteoffensive und vorausschauenden Investitionen gelingen wird. Aber wir müssen damit überhaupt nicht bis 2030 fertig sein – das wäre wohl auch unerreichbar. Denn: Auch unsanierte Häuser können klimaneutral mit erneuerbaren Energien versorgt werden. Wie genau verrät die Antwort auf die nächste Frage.

Wie gelingt die klimaneutrale Wärmeversorgung?

Die Wärmeversorgung stellt den größten und kompliziertesten Einzelposten der Emissionsreduktion dar: Auf das Konto von Heizung und Warmwasser gehen ca. 40 % der Emissionen der Stadt. Daher fordern wir die Einsetzung einer Kommission aus Fachleuten, die eine Wärmeplanung für die Stadt erstellt, die diesen Namen auch verdient und die für die nächsten 15 Jahre trägt.

Durch die Wärmedämmung der Häuser benötigen wir zunehmend weniger Heizungsenergie. Bereits sanierte Häuser können mit Wärmepumpen klimaneutral beheizt werden. Darüber hinaus wird eine Mischung aus modernen Technologien wie Abwärmenutzung (Abwasser, Rechenzentren, Industrie), Großwärmepumpen, Flusswärmepumpen, tiefe und oberflächennahe Geothermie zum Tragen kommen. Intelligente Lösungen, die die Hitze des Sommers in die Kälte des Winters transferieren sind Bodenwärmespeicher (z.B. durch Erdsonden, die im Sommer Wärme in den Boden geben und im Winter wieder aufnehmen) sowie kalte Nahwärmenetze (lokale Brunnenbohrungen, ähnliches Prinzip wie Erdsonden, nur effizienter, da direkt die Wärme mit dem Grundwasser ausgetauscht wird). Mit diesen Technologien lässt sich voraussichtlich der durchschnittliche Heiz- und Wärmebedarf abdecken.

Die Herausforderung liegt dann in der Abdeckung von Spitzenlasten (kalte Tage) und Zeiträumen, in denen wenig erneuerbare Energie zur Verfügung steht („Dunkelflaute“). Hier gibt es verschiedene Ansätze, die alle ihre eigenen Vor- und Nachteile haben. Oft werden hierfür Wasserstoff-Kraftwerke vorgesehen (sowohl von der „Potenzialstudie klimaneutrale Wärmeversorgung Berlin 2035“ des Fraunhofer-Instituts als auch von senatsnahen Studien). Die Fraunhofer-Studie rechnet mit einem durchschnittlichen Wasserstoff-Bedarf bei der Fernwärme von etwa 5 % – das ist zwar noch verhältnismäßig wenig, aber es ist nicht klar, ob bis 2030 entsprechend Wasserstoff zur Verfügung steht. Alternativen dazu können Power-to-Heat-Systeme zur kurzfristigen Wärmespeicherung sein. Dort wird einfach überschüssiger Strom mittels eines riesigen Tauchsieders in heißes Wasser umgewandelt, das dann in das Fernwärmenetz eingespeichert wird. Nachteil hier ist die geringe Effizienz und die Kurzfristigkeit. Die „Dunkelflaute“ ist im Übrigen ein sehr seltenes Phänomen. Im Allgemeinen ergänzen sich Sonne und Wind im Jahresverlauf sehr gut, siehe dazu auch hier die Abbildung 7.2 (auf Seite 9). 

Was ist mit der Industrie und den Arbeitsplätzen?

Die Wirtschaftsstruktur in Berlin kommt für die Transformation zum Glück sehr gelegen, da es hier verhältnismäßig wenige energieintensive Unternehmen (Beispiel Stahlbranche) gibt. Bei allem, was auf Strom basiert, wird die Transformation zur Klimaneutralität relativ einfach sein (zum Beispiel IT-Branche, Startups oder auch die schon stark elektrifizierte BVG). Umgekehrt wird eine ambitionierte Klimapolitik viele neue Arbeitsplätze bei uns in der Region schaffen.

Ist das nicht alles völlig utopisch?

Finden wir nicht. Die größte Herausforderung auf dem Weg zu schneller Klimaneutralität Berlins ist der Gebäudesektor, also die Wärmeversorgung. Aber auch hier sieht es nicht schlecht aus, siehe die Frage dazu weiter oben.

Wir sind überzeugt: Ohne ehrgeizige Ziele geht es nicht. Wenn es bei dem aktuellen Ziel 2045 bleibt, wird nicht im Ansatz das passieren, was notwendig ist. Nur ein Ziel in der nahen Zukunft stellt sicher, dass mit der notwendigen Transformation jetzt begonnen wird.

Eine langsame Umsetzung birgt übrigens auch weitere Gefahren: Jetzt können benötigte Energieanlagen wie Solarzellen noch problemlos und ausreichend erworben werden und unsere Gesellschaft hat noch genug Exporteinnahmen und Investitionskapital dafür. Wenn nach 2030 immer mehr Länder klimaneutral werden, wird es eher schwieriger und teurer.

Wie können verbleibende Emissionen kompensiert werden?

Die Wirkung von vielen Maßnahmen zur Kompensation von Emissionen bewerten wir kritisch. Daher soll auf Kompensation verzichtet werden, solange weitere Reduktionen möglich sind: In §4 (1) der Gesetzesänderung ist festgelegt, dass die Einhaltung der neuen Klimaschutz-Verpflichtungen vorrangig durch Vermeidung und Reduzierung der Treibhausgasemissionen erfolgen soll.

Ein kleiner Anteil der Emissionen wird aber auch bei allen Anstrengungen auch nach 2030 nicht vermeidbar sein. Die verbleibenden Emissionen müssen dann mit geeigneten Maßnahmen kompensiert werden. Dies sollte möglichst lokal in Berlin und Brandenburg geschehen.

Geeignete seriöse und nachhaltige Kompensationsmaßnahmen können zum Beispiel die Vernässung von Mooren oder Aufforstungsprojekte sein. Dabei ist immer auf die Rahmenbedingungen zu achten: Bei Aufforstungsfonds ist zum Beispiel wichtig, dass diese – u.a. mit Hilfe von Satelliten-Aufnahmen der betroffenen Flächen – sauber verifiziert sind und dass sie die nachhaltige Bindung von Treibhausgasen garantieren. Bei Rodungen müssen neben den im Holz gebundenen zusätzlich die in den Folgejahren zu erwartenden Emissionen von Treibhausgasen aus dem Boden berücksichtigt werden.

Hat denn schon mal jemand ausgerechnet, dass es funktionieren kann?

Die Energy Watch Group hat eine Machbarkeitsstudie gemacht, wie Berlin zusammen mit Brandenburg eine klimaneutrale Energieversorgung (Strom und Wärme) bis 2030 erreichen kann.

Vom Fraunhofer-Institut gibt es eine handfeste Studie, wie eine klimaneutrale Fernwärme bis 2030 möglich ist mit konkreten Lösungsvorschlägen für Ein- und Mehrfamilienhäuser.

Für den Verkehr gibt es keine wissenschaftliche Studie für das Zieljahr 2030, aber die Lösungen liegen hier auf der Hand: Verbrennerverbot, besserer ÖPNV und Fahrradiinfrastruktur sowie eine starke Reduktion des Individualverkehrs. Details siehe oben.