Klimaneustart startet eine neue Volksinitiative zur Bauwende mit Unterstützung aus der Branche
Ein Jahr nach dem Klima-Volksentscheid startet Klimaneustart Berlin
eine neue Volksinitiative. Mit dem Titel „Bauwende für Berlin – ökologisch und sozial“
stellte die ehrenamtliche Initiative am Donnerstagvormittag ihre neue Kampagne vor.
Damit sollen vor allem der Bestand in Berlin ertüchtigt und umgenutzt werden, um
bezahlbaren Wohnraum zu erhalten und Emissionen zu vermeiden. Und falls neugebaut
werden muss, dann mit klimaverträglichen Baustoffen und in Quartieren, die Wohnen,
Arbeiten und Freizeit, aber auch Infrastrukturen für Energie und Mobilität integrativ
denken.
Der Gebäudebereich sei der Sektor mit dem größten Anteil an den Berliner Emissionen und
neben der Wärmeversorgung stecken gerade im Abriss und Neubau zahlreiche vermeidbare
Treibhausgase. „Die Klimakrise verschärft sich und wir brauchen eine Stadt, die dieser Krise
gerecht wird. Und gleichzeitig finden die Menschen keine bezahlbaren Wohnungen mehr. Beides
wollen wir mit unserer neuen Initiative adressieren“, sagt Gerrit Naber, Sprecher von
Klimaneustart Berlin.
Dass Berlin hier etwas ändern kann, betonte Leonie Wipf von den Architects4Future: „Bauen ist
vor allem Ländersache. Die Forderungen von Klimaneustart adressieren genau den Hebel, den
es braucht, um Berlins Bausektor klimaneutral zu machen und soziale Kieze zu erhalten.“ Dem
pflichtete Sebastian Bartels vom Berliner Mieterverein bei: „Wir haben Bedarf von rund 130.000
Sozialwohnungen in Berlin und könnten durch Nutzbarmachung des Bestands und der Baulücken
schon bis zu 100.000 Wohnungen zur Verfügung stellen. Über den Hebesatz in der Grundsteuer
hat der Senat auch ein scharfes Schwert, den Leerstand nutzbar zu machen.“
Eva-Maria Friedel vom Thinktank Bauhaus Erde betonte den Klima-Aspekt des Gebäudesektors,
der für 40 Prozent der Emissionen in Deutschland verantwortlich sei: „Bisher haben wir uns vor
allem auf den Betrieb fokussiert. Was zu kurz kam, waren die Materialien, die wir verbauen. Hier
müssen wir ganz schnell handeln.“ Susanne Scharabi aus dem Vorstand des Bundes Deutscher
Architekten Berlin ergänzte mit Verweis auf von ihrem Büro realisierte Projekte: „Man kann fünf
oder auch sieben Geschosse sehr gut aus Holz bauen.“
„Wenn es einen reellen CO2-Preis gäbe, bei dem Kosten nicht externalisiert auf die Bevölkerung
abgewälzt würde, dann wäre ökologisches Bauen billiger. Aus Finanzierungsperspektive kann
man sagen: Neun Euro pro Quadratmeter kriege ich im Neubau nicht hin. Im Bestand geht das
aber sehr gut.“, sagte Manuel Ehlers, Leiter der Abteilung Nachhaltiges Bauen bei der Triodos-
Bank.
Dass bei der Stadtentwicklung Quartiere noch viel stärker zusammengedacht werden müssen,
betonte Fiete Rohde von Kiezconnect: „Von der planerischen Seite müssen wir diese ganzen
Sektoren zusammendenken und auch zusammenplanen. Wir brauchen ein ganz neues
Verständnis von Quartier planen, von Quartier leben, von einer Beteiligung vor Ort. Und das nicht
nur im Neubau, sondern auch im Bestand.“ Dazu gebe es das Konzept der 15-Minuten-Stadt.
Scharabi ergänzt: „Wenn alle wichtigen Dinge in 15 Minuten erreichbar sind, dann hat das einen
wichtigen Nachhaltigkeitseffekt.“
Die Unterschriftensammlung beginnt mit einer Kundgebung am Tempelhofer Feld am Samstag
den 4. Mai um 14 Uhr. Bis September möchte die Initiative die erforderlichen 20.000
Unterschriften an das Abgeordnetenhaus übergeben.
Die Forderungen der Volksinitiative im Wortlaut:
Wir fordern…
- ein Bestandsregister, das den leerstehenden und nutzbaren Raum digital erfasst.
- eine verpflichtende Prüfung der Nutzungspotentiale von Gebäuden vor Abriss.
- die Sanktionierung von Leerstand oder missbräuchliche Nutzung eines Gebäudes.
- ein Nutzungsgebot für leerstehende öffentliche Gebäude und Flächen vor Neubau für den
gleichen Nutzen. - ein CO 2 Budget für Neubau- und Sanierungsprojekte entsprechend dem Berliner
Energie- und Klimaschutzprogramm (2022-26). - eine Entwicklung von Quartieren (Stadtgrün, Infrastruktur, Arbeit, Wohnen und Freizeit),
die der Klima- und Mietenkrise gerecht wird. Dazu die Entwicklung eines Standards, der
verpflichtend bei der Bauleitplanung geprüft wird (nach BEK 2022-26).