Die Waldbrände in Brasilien? Da war doch was! Hand aufs Herz – wer von uns könnte gerade die aktuelle Situation in Brasilien wiedergeben? Klar, die globale Pandemie hat bei vielen von uns zu einschneidenden emotionalen, sozialen und finanziellen Krisen und Ängsten geführt und tut dies immer noch. Doch in anderen Ländern wurde Covid-19 teilweise als Deckmantel für die Unterdrückung von Aktivist*innen verwendet.
Zur Erinnerung: Brasiliens Regenwald ist einer der größten Kohlenstoffsenken der Erde. Sprich: Fällt der Regenwald, fallen wir alle!
Im letzten Jahr 2020 sind unter dem rechtsradikalen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro im Amazonas ganze 9125 Quadratkilometer Regenwald verloren gegangen – das entspricht einer Größe von knapp 1.278.011 Fußballfeldern und stellt eine „Steigerung um rund 34 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum“ dar (dw). Die EU und wir gehören zu den größten Soja-Abnehmer:innen für unsere Tierfuttermittelindustrie und beinahe 50 % des global exportierten Soja stammt aus Brasilien.
Was hat das mit mir zu tun?
Aber kommen wir zurück. Irgendwie war dann Weihnachten und mal ne Dattel-im-Speckmantel und Co tut ja keinem:er weh! Mmh… ! Ist hier nicht die Essenz, dass wir – durch unser Privileg, im globalen Norden geboren zu sein, was lediglich ein Zufallsfaktor ist – mit jeder Dattel Menschenrechte anderer hinunterschlucken? In Kauf nehmen, dass Indigene vertrieben, vergewaltigt und getötet werden?
Jetzt könnte eine Strafverfolgung gegen Bolsonaro als Völkerrechtsverbrechen gewertet werden. Der Internationale Strafgerichtshof „hat eine Anzeige gegen ihn wegen Menschenrechtsverbrechen gegen die indigene Bevölkerung zugelassen“ (amerika21).
Menschenrechte zählen nicht immer viel
Systematische Angriffe gegen die Zivilbevölkerung sind als Verbrechen gegen die Menschlichkeit bereits jetzt strafbar. Die systematische Hetze gegen die indigene Bevölkerung durch die Bolsonaro-Regierung lässt darauf schließen, dass Ziel der Zerstörung in diesem Falle nicht „nur“ der Amazonas-Regenwald ist, sondern auch die indigenen Völker, dessen Heimat er ist. Aus Satellitenbildern des Nasa Earth Observatory geht hervor, dass die illegalen Brandrodungen und Landnahmen durchaus planmäßig und systematisch erfolgen – angestiftet und gebilligt von Bolsonaro (mpg).
Zusätzlich ist die indigene Bevölkerung mehr als doppelt so hoch wie der Rest der Bevölkerung gefährdet – durch die verantwortungslose Haltung Bolsonaros und fehlendem Pandemieeindämmungsplan. Mitte letzten Jahres stellte er sich bei einem Gesetzesentwurf mit einem Veto gegen die „Verpflichtung der Regierung, den Indigenen Trinkwasser, Hygieneprodukte sowie Krankenhausbetten zur Verfügung zu stellen“ (Zeit Online). Obwohl sich jetzt das Oberste Bundesgericht eingeschaltet und die Regierung zu einem Plan aufgefordert hat, ist leider immer noch keine Hilfe für die indigene Bevölkerung in Sicht. Das Gesamtbild des Regierungshandelns zeigt auf, dass wir Zeug:innen eines systematischen Angriffs auf die indigene Bevölkerung in Brasilien sind.
Ökozid als Straftatbestand
Was hier jedoch nicht bestraft werden kann, ist das Verbrechen an dem Ökosystem Amazonas, an der natürlichen Lebensgrundlage der Indigenen, weil Ökozid nicht im Römischen Status steht. Nur für Umweltzerstörung im Rahmen bewaffneter Konflikte zwischen Staaten sind die Richter in Den Haag zuständig, dann nämlich, wenn in einem internationalen bewaffneten Konflikt weitreichende, langfristige und schwere Schäden an der natürlichen Umwelt verursacht werden. Dieser Straftatbestand schützt also indigene Völker nicht vor der Zerstörung ihrer Heimat durch die Regierung. Hinzu kommt, dass Angriffe gegen die natürlichen Lebensgrundlagen hiernach nur strafbar sind, wenn sie „eindeutig in keinem Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen.“
Deshalb fordert StopptOekozid „die Einführung des Straftatbestandes des Ökozids sowohl in das deutsche Strafgesetzbuch als auch auf internationaler Ebene“ (change.org), denn Deutschland kann als Vertragsstaat des Römischen Statuts Änderungen vorschlagen. Denn – Achtung: Fun Fact – im deutschen Umweltstrafrecht bindet die sogenannte ´Verwaltungsakzessorietät´ Umweltschutz daran, ob die Verwaltungsbehörde sie zuvor für schützenswert erachtet oder halt eben nicht“. Ergo: „Genehmigungen – auch wenn rechtswidrig – führen also zur Straflosigkeit der Zerstörung“.
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